8.UWE STELTER „DER RING“


Darstellbarkeit und Wahrnehmbarkeit
7.Pferd und Bumerang
von Thomas Kaestle
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Das alles war gut gemeint. Die Mitglieder der Enquete-Kommission, größtenteils selbst kulturelle Akteure, hatten sich zum Ziel gesetzt, fachfremden Entscheidern aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft ein für alle mal die Bedeutung von Kultur für die Gesellschaft zu verdeutlichen. Dafür schien es notwendig, diesen neu formulierten Wirtschaftssektor als so groß und produktiv wie möglich darzustellen. Herausgekommen ist eine – von der Wirtschaftsministerkonferenz im Jahr 2009 in dieser Zusammensetzung empfohlene – Chimäre aus: Musikwirtschaft, Buchmarkt, Kunstmarkt, Filmwirtschaft, Rundfunkwirtschaft, Darstellenden Künsten, Architekturmarkt, Designwirtschaft, Pressemarkt, Werbemarkt und Software/Spiele-Industrie. Das ließ zwar zu, damit zu beeindrucken, dass dieses Konstrukt in seiner kollektiven Bruttowertschöpfung fast an die der Automobilindustrie heranreichte. Zugleich ist jedoch der behauptete Zusammenhang so unscharf, dass es nicht verwundert, dass fast niemand aus der Zielgruppe fachfremder Entscheider noch zu differenzieren vermag, worum es eigentlich geht. So wurde in den vergangenen Jahren zunehmend Kultur gleichgesetzt mit Kulturwirtschaft. Dabei werden die einzelnen Branchen in der Kultur- und Kreativwirtschaft nicht zufällig mit den Wortendungen „-wirtschaft“ oder „-markt“ bezeichnet. (Außer bei den Darstellenden Künsten, die sich offenbar auch begrifflich hartnäckig genug einer Indienstnahme verweigern.) Der Kunstmarkt zum Beispiel hat jedoch mit der Kunst bestenfalls Schnittmengen. In der Systemtheorie von Niklas Luhmann betrachtet, gehört er – wie das gesamte Konzept der Kultur- und Kreativwirtschaft – dem Wirtschaftssystem an, nicht dem Kunstsystem, das mit eigenen Kriterien nach eigenen Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Was als Trojanisches Pferd konstruiert war, um Politik und Wirtschaft mehr Wertschätzung für Kultur unterzujubeln, endete als Kleinholz in Bumerangform: Es führte dazu, dass Politik und Wirtschaft der Kultur etwas unterjubeln konnten – nämlich eine kommerzielle Verwertbarkeit als oberstes Bewertungskriterium.

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